Reisebericht: Ein Interview mit Laura Reed und Roman Speck zur agilen Transformation der Allianz

In unserer neuen Reihe «Reisebericht» befragen wir unsere Kunden und Partner zu laufenden Transformationsprojekten. Sie berichten über die grössten Herausforderungen und wichtigsten Learnings ihrer jeweiligen Reise. Im ersten Reisebericht geben uns Laura Reed (Leiterin digitale Transformation Kollektivleben) und Roman Speck (Projektleiter Senior) Einblick in ein laufendes Transformationsprojekt der Allianz Suisse.

Was ist das Ziel eurer Transformation?

LAURA REED: Ich musste kürzlich gerade zurückdenken, wann und warum haben wir eigentlich angefangen mit unserer Transformation? Zum einen wollten wir in eine Arbeitsform kommen, die zukunftsträchtig ist. Zum anderen wollten wir mit dieser neuen Arbeitsform – vielleicht war das auch eher mein persönliches Ziel – den Personen mehr Freude bei der Arbeit bereiten. Die Arbeit macht dann am meisten Spass, wenn du selbständig entscheiden kannst, was du machst und Teil der Entscheidung bist, was als nächstes passiert mit dir und deinem Arbeitsplatz. Dass du diesen selbständig gestalten kannst und dieser übereinstimmt mit deinen eigenen Kompetenzen und Aufgaben. Anfangs hat dies etwas gefehlt in unserem Umfeld. Gleich vorweg: Ich hätte nicht erwartet, dass dies eine so lange und zum Teil auch beschwerliche Reise werden würde. Aber langsam kommt’s, wir sind auf dem richtigen Weg.

ROMAN SPECK: Ein zentrales Ziel unserer Transformation ist, dass wir innerhalb des Bereichs näher zusammenrücken, damit wir zielgerichteter arbeiten können. Darüber hinaus möchten wir innerhalb der Teams eine gewisse Autonomie erreichen und dadurch eine bessere Kundenzentrierung erlangen. Das sind die zentralen Aspekte unserer Vision. Hier liegen aber genau auch die grossen Herausforderungen: Um die Autonomie im Team zu erreichen ist es wichtig, dass wir ein EndtoEnd-Bild haben. Um dieses EndtoEnd-Denken zu erreichen, benötigen wir ein Full Stack Entwicklungsteam, welches alle Themenblöcke abdecken kann und umfassend mitdenkt. Somit findet dann auch eine Befähigung in der Breite bzw. den einzelnen Teams statt. All diese Themen schneiden wir mit der Zielsetzung der Transformation an.

Wann hat für euch die Reise angefangen?

LAURA REED: Die ersten Gedanken und geschmiedeten Pläne haben schon lange vor dem offiziellen Start begonnen. Wir haben gemerkt, dass wir mit dem bisherigen System an Grenzen stossen und sich etwas verändern muss, insbesondere was die Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen angeht. Der offizielle Start unserer Transformationsreise sowie die dazugehörige Kommunikation wurde im Dezember 2019 initialisiert.

Wo befindet ihr euch aktuell auf dieser Reise?

LAURA REED: Wir befinden uns noch ziemlich am Anfang, meiner Meinung nach. Das für die Veränderung notwendige Mindset konnte bereits geschaffen werden, jedoch ist es nicht leicht, in einer starren Gesamtorganisation vollständig agil zu sein. Es ist bereits viel mehr ein Miteinander über die Projektgrenzen hinaus. Was wir bereits gut implementiert haben, sind die Zeremonien: Big Room Planning, Retros, Fertigstellungsboards, Groomings und Demonstrationen. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir uns erneut hinterfragen müssen: «Warum machen wir das und ist es überhaupt sinnvoll, dass wir das machen?» Beispielsweise das Big Room Planning: Lohnt es sich noch, dieses im heutigen Rahmen durchzuführen? Das Ziel ist ja schlussendlich, eine selbstlernende Organisation zu sein, nun ist der erste grosse Schritt zum selber lernen da. Das ist jetzt die erste grosse Welle, in der wir die Gefässe anpassen werden. Zukünftig wird es davon x-tausende geben.

ROMAN SPECK: Wir sind noch in voller Bewegung und noch in keiner stabilen Phase angelangt. Im Moment ist der Change ein alltägliches Thema, das uns jeden Tag bewegt. Es wird auch noch einige Zeit dauern, bis wir sagen können, genau dieses Setup wollen wir, so fahren wir fort. Ein Teil der agilen Zukunft ist ja, dass der Change zum Alltag dazugehört, und gerade sind wir dabei, uns daran zu gewöhnen.

Was gelingt euch zum aktuellen Zeitpunkt der Reise gut, was habt ihr bereits erreicht?

ROMAN SPECK: Gut gelingt uns im Moment die Abstimmung sowohl innerhalb der Teams als auch teamübergreifend. Ich finde die Kommunikation hat sich auch verbessert. Ich glaube, was sicher auch gut ist, ist dass wir den Change bereits als Teil des Prozesses akzeptiert haben. Wir werden beispielsweise das kommende Big Room Planning wieder etwas anders gestalten, was auch gut aufgenommen wird. Es ist für die Leute in Ordnung, dass wir uns Veränderungen vornehmen und man sich immer wieder fragt, wie etwas noch besser geht respektive wozu etwas gemacht wird. Wir haben die Möglichkeit, gemeinsam Dinge auszuprobieren und zu verändern. Was mir in unserem Projekt am meisten Freude bereitet, ist die Einsatzbereitschaft und der Einsatzwille. Der Umgang der Leute miteinander ist sehr respektvoll und es ist ein Wille da, das Ganze am Schluss zu einem Erfolg zu führen. Das macht Spass. Wir können am Ende eines Sprints immer etwas ausliefern, wir haben immer die Möglichkeit, dass wir auch in schwierigen Situationen auf die Unterstützung anderer zählen können und ich finde, hier sind wir hinsichtlich der Zielsetzung des «näher Zusammenrückens» schon sehr weit gekommen. Ich würde sagen, dass die Grundeinstellung bereits sehr stark vorhanden war, durch den Change wurde sie aber noch einmal akzentuiert.

LAURA REED: Du merkst, dass die Leute wirklich wollen. Wir haben mit den Personen im Team eine super Grundlage sowohl bei den Entwicklern als auch den Business Analysten und den Product Owners. Sie sind alle auch bereit, für das was wir machen, die Extrameile zu gehen.

Was sind die Herausforderungen oder Hürden, die es aktuell zu überwinden gilt?

LAURA REED: Was uns noch nicht so gut gelingt, ist das richtige Mass der Veränderung, aber auch der Kontrolle, zu finden. Wir haben die Tendenz, in der Führung noch zu wenig loszulassen. Dies lässt sich allerdings auch damit erklären, dass das Projektende vor der Tür steht und wir gewissen Lieferdruck haben. Im normalen Betriebsmodus wäre es dann weniger verheerend, wenn einmal etwas umfällt.

Dadurch, dass wir einfach einmal losgelegt haben mit der Transformation, gibt es einige Themen, um die wir uns in der Anfangsphase nicht genügend gekümmert haben. Hierzu gehört zum Beispiel das Backlog. Wie wollen wir das Backlog sowohl in den Teams als auch teamübergreifend organisieren? In der frühen Phase des Projekts hatten wir nicht das Wissen und nicht die Kapazität, uns um dieses Thema zu kümmern. Heute werden wir von diesem Thema eingeholt, denn das ist nötig, damit wir eine saubere Planung durchführen können. Das ist sicher eine Hürde, die wir bewältigen müssen.

Eine grosse Herausforderung stellen auch die verschiedenen Hochzeiten, auf denen wir tanzen, dar. Wir haben uns entschieden, die Transformation im Projektmodus zu beginnen, wo mit dem näher rückenden Projektende auch noch die gesamte Migration des Bestandes sowie die Betriebsübergabe bevorstand. Ich würde im Nachhinein davon abraten, zu einem solchen Zeitpunkt mit der Transformation zu beginnen, weil viele Themen auf einmal zusammenkommen und so eine Überlast entstehen kann, welche kaum zu bewältigen ist.

ROMAN SPECK: Es ist natürlich immer eine Frage, welche Messlatte man nimmt. Verbesserungspotenzial gibt es immer, das ist unbestritten. Auch beim Thema Kommunikation gibt es noch Verbesserungspotenzial, insbesondere hinsichtlich Effizienz in den Meetings. Ich finde allerdings, für die frühe Phase, in der wir uns momentan befinden, meistern wir das bereits sehr gut. Soll heissen, wir haben noch viel Potenzial, um unsere Vision zu erreichen, was ja schön ist und was zeigt, dass wir uns noch weiterentwickeln können und dürfen.

Was ist die grösste Baustelle oder der nächste Steilhang, den ihr angehen wollt?

ROMAN SPECK: Für mich ist das jeweils keine Baustelle, sondern eine weitere Verbesserungsmöglichkeit, welche als Ziel gesetzt werden muss. Als nächstes steht aus meiner Perspektive die Modifizierung der Agenda des Big Room Plannings an, sodass wir dieses so organisieren, damit wir die Meetingszeit effizienter nutzen können. Ob die angestrebte Veränderung dann auch tatsächlich den gewünschten Effekt mit sich bringt, wird sich zeigen. Es ist ein stetiges Lernen und Adaptieren aus bekannten Frameworks. Am Schluss arbeiten wir auf unsere Vision hin und es ist die Frage, wie wir dorthin kommen und wie wir den Weg gestalten. Da wir uns in einem komplexen Umfeld befinden, ist das im Stil von «inspect and adapt» aufzubauen. Also wir probieren aus und schauen, ob es funktioniert, wenn ja, dann übernehmen wir es, wenn nicht, dann verändern wir es und versuchen etwas Neues. Möglichst kurze Feedbackschlaufen zu haben ist hier das Ziel.

Was waren eure grössten Learnings?

LAURA REED: Eines meiner grössten Learnings ist die Performance der Teams in den verschiedenen Phasen (Forming, Storming, Norming, Performing). Darauf muss bei einer Transformation wirklich ein Augenmerk gelegt werden. Eine neue Gruppe muss sich zuerst finden. Konflikte müssen ausgetragen werden, bevor man effizient zusammenarbeiten kann. Dann können sich die Teammitglieder aufeinander verlassen, kennen die jeweiligen Stärken und Schwächen voneinander und können performen. Auch wenn man diese Rollen nicht zuteilt, wird es in einem Team immer eine Person geben, welche den Lead übernimmt. Jemanden, der auf die Emotionen im Team achtet, einen anderen, der den Juror spielt sowie einen, welcher eher beobachtet. Es ist sehr interessant, wenn man vergleicht, wie die Leute im Team anfangs miteinander gesprochen haben im Vergleich zu vier Monaten später. Am Anfang gab es Widerstand, bis jeder seine Rolle gefunden hat. Und heute gehen die Leute aufeinander zu, weil sie wissen, dass die Person ihnen weiterhelfen kann bei ihrem Problem. Und das hat gar nicht viel mit Agilität, sondern mit den Phasen im Team zu tun. Je nach Phase kannst Du nicht erwarten, dass ein Team performt oder agil bzw. selbstorganisiert unterwegs sein kann.

ROMAN SPECK: Ich glaube ein wichtiges Learning für mich ist, dass dieser ganze Change nicht gratis kommt. Das Ganze ist mit viel Aufwand verbunden, man muss aktiv dranbleiben und aktiv daran arbeiten. Man hört es zwar oft, aber wenn man dann mittendrin ist, sieht man es auch konkret: Eine Organisation ist relativ schnell geändert, aber den darunterliegenden Prozess nachhaltig zu verändern benötigt viel Zeit, Aufwand und auch Investitionen.

LAURA REED: Ein weiteres grosses Learning ist, dass du in einer solchen Transformationsphase dein Ego auf die Seite stellen musst. Du musst nicht dein «Gärtli» pflegen, sondern offen sein und zuhören. Annehmen was kommt und nichts persönlich nehmen, weil das führt sonst wieder zu Konflikten. Wenn du dich in deiner Person angegriffen fühlst, wird die Transformation nicht funktionieren. Du musst flexibel mit der Situation umgehen können, ich glaube «resilient sein» beschreibt das ganz gut.

Vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt für dieses Interview. Ich freue mich über ein weiteres Reiseupdate zu einem späteren Zeitpunkt und wünsche euch in der Zwischenzeit viel Erfolg und Freude auf eurer Transformationsreise.


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26. November 2021 / Aline Weber